Meine sieben Sachen sind schnell aus Janas WG Zimmer geräumt und mit Rock Straps auf der im WG- Garten parkenden KTM verstaut. Klein Gartenzwerkdeutschland meldet sich morgens bei Jana, was den das KTM Motorrad im WG Garten zu suchen habe. Hat sich also vermutlich ein Gartenzwerg beim Vermieter beschwert. Wir beide nehmen es gelassen, verabschieden uns herzlichst. Das bezirzenden Lächeln von Ihr im Rückspiegel bleibt mir noch einige Stunden präsent.
Der Plan ist auf dem Weg Kurs Nord Nord Ost Richtung Norddänemark wo die Fähre am 12 Mai pünktlich 10:00 Uhr in Hirtshals Richtung Nordatantik ablegt, eine Schleife über den Harz einzulegen, über eine Stipvisite bei Sonjas Eltern in Bremen weiter über Cuxhaven klein klein an der Westküste Dänemarks zum versunkenen Leuchtturm Rubjerg Knude bei Lokken zu fahren.
Unzählige Male sind wir auf der A7 Richtung Bremen, Sonjas Heimat mit Kind und Kegel an Seesen vorbeigefahren- immer am Hinweisschild- hier geht’s zum Harz- vorbei gefahren.
Diesmal will ich schauen, wie sich dieses Mittelgebirge mit ostdeutscher Teilungshistorie und Öffnung 1989 im Vergleich zu unserem Südschwarzwald verhält. 1989 war ich nach Berlin gereist als der Grenzübertritt mit Tagesstempel möglich war- schenkte ich einem unbekannten MZ Fahrer meine gebrauchten Lederhandschuhe:“Icke werde verrückt- mensch Wessi danke …… „, war seine Reaktion.
Für den Einstieg will ich die alte Kyffhäuser Bergrennstrecke im Unterharz mit seinen legendären 36 Links Rechts Kurvenkombinationen mit der hecklastig vollbeladenen KTM hoch und runter pilotieren.
Ich will den Brocken umrunden und Hexentanzplätzen nachspüren, hat mich doch zu Abiturszeiten Goethes Faust I mit seinen pubertären Obszönitäten auf Blocksbergs Walpurgisnacht von unserem pädagogisch genialen Deutsch LK Lehrer W. Zoller didaktisch bestens ausgearbeitet, tief beeindruckt:
“Mephisto zu Faust:“…So geht es über Stein und Stock, es farzt die Hexe, es stinkt der Bock“- …..Fasse wacker meinen Zipfel, hier ist so ein Mittelgipfel“ –oder-, kurz vor Drucklegung von Goethe getilgt: Satan zu den Böcken: „Es gibt zwei Dinge so herrlich und groß, das glänzende Gold und der weibliche Schoß. Das eine verschaffet, das andre verschlingt, drum glücklich, wer beide zusammen erringt“. Jugendfrei geht anders- doch die Freude daran ist bis heute geblieben.
Mit dem Hintergrundwissen, dass sich vermutlich damals heidnischer Brauchtum zu den üblen Inquisitionsprozessen der Hexerei entwickelt hat, setze ich den Blinker der Amazone und finde leicht in Kelbra den Einstieg in das Kyffhäusergebirge.
Unten am Parkplatz linker Hand stehen Sie in Scharen- die Knieschleiferfraktion- Möchtegern- Rossis- teilweise mit Stoppuhr und Rundenzähler am Lenker. Da ich mich privat dem IDM Motorrad Rubin Racingteam angeschlossen habe und als helfende Hand, väterlicher Freund, Teamkoch, alle Strassenrennstrecken dieser SS600 Supersport Rennserie kennenlernen darf, weiß ich um das Risiko, keine Sturzräume zu haben.
Kurz bevor ich die erste Kurvenkombination in Angriff nehmen will biegt von rechts ein wunderschöner alter Mercedes 300 ein- Fahrer – ein Opa – Silberrücken – geschätzt 80 jährig. Also geht es statt in GP -Rossi oder Marc Marques Manier mit gemütlichen 40 km/h die Rennstrecke hoch- ich tue so als ob- schiebe meine Hüfte zum Kuveninnern- erinnere mich an die Worte von Dominik Rubin einen der beiden Rubin Brüder die so erfolgreich IDM fahren: „Holger mit Mut in die Kurve- Bremspunkt spät wählen“- ideal- kurz bevor du Gott siehst- ein Zitat eines WM Piloten aus alten Tagen- schießt es mir in den Kopf.Ich lasse Opi etwas Abstand gewinnen – ziehe kurz am Kabel- überholen zwecklos- alles doppelt durchgezogene Linie und permanenter Gegenverkehr. Was habe ich mich bei der Anfahrt über die 36 Kurven gefreut- aber was solls- sage ich mir.
Oben angekommen besuche ich das Kyffhäuser Nationaldenkmal von Kaiser Wilhelm I – lesen mich in die Geschichte des Denkmals ein- wie immer in Kriegszeiten verherrlicht, zu DDR Zeiten vergessen und danach wieder restauriert. Ich genieße den 60 km Weitblick über die in voller Bracht stehenden gelben Rapsfelder bis hin zum Brocken und seinen Hexentanzplätzen, denen ich heute noch nachspüren will.
Beim engen Wendeltreppenabstieg von der Stahlkuppel des Denkmals, kommen mir von unten zwei adipöse extrem übergewichtige ältere Damen entgegen- völlig am Ende Ihrer Kondition- ich denke mir – seit fett zu einander- so will ich nie nie enden. Ich zwänge mich an beiden klatschnass triefenden im Notfallmodus atmenden Damen freundlich grüßend vorbei. Ich bin innerlich stolz auf meine schlanke sportliche Sonja, die mir 3 Kinder geboren hat – und kein Pfannekuchen geworden ist.
Unten wieder am Bike angekommen, freue ich mich über die hoffentlich freie Kurvenabfahrt. Ich ziehe mich an, starte die Amazone und wie es das Schicksal so will, kommt hinter mir die Polizei auf normaler Streifenfahrt. Ich halte mich strickt an die 70 km/h Beschränkung, lasse den Quatsch mit dem Kniewinkel, will mich im tiefen Osten doch nicht mit Ex-Stasikollegen, viele von diesen Burschen sind ja dort untergekommen, anlegen.
Rechter Hand am Parkplatz unten verschwinde in Sichtweite der Polizei schnurstracks alle Stoppuhren von diversen „Knieschleifern“- ich muss herzlichst lachen- Katz und Maus- Tom und Jerry- live an der Nordrampe des Kyffhäusers- köstlich.
Ich selbst fahre über Hayn, Stolberg über kleinste Nebenstrassen- zum Hexentanzplatz in Thale. Als Vorlage dient mir ein Tourenfahrerbericht von 7/2007 Harz Traumstrassen Deutschlands.
Ich fahre durch einsamste Dörfer, extrem strukturschwach. Hier sind die von Helmut Kohl, der ja die Radischen inzwischen von unten betrachtet, versprochenen „blühenden Landschaften“ – er meinte damals vermutlich nicht die Rapsfelder- nicht den aktuell blühenden Rhododendron oder die Kirschblüte- immer noch nicht angekommen. Immer wieder wird auf die ehemalige Zonengrenze hingewiesen. Wie trostlos muss das hier zu DDR Zeiten gerade für junge Leute gewesen sein-Honecker selbst und seiner Sippe hat es ja an nix gefehlt.
Am Hextentanzplatz ist heute schon Dienstschluss- ich fahre an der Schranke dennoch vorbei und erfreue mich an den frechen Skulpturen – wohl wissend – das dies alles voll kommerzialisiert wurde. Von Goethes Faust keine Zeile, das war ja zu erwarten!
Ich besuche noch das Rosstrappenmassiv über dem Bodetal und bin erstaunt wie canyonartig die Schlucht den Blick nach unten Richtung Köngisruhe freigibt- ähnlich dem Preikestolen in Südnorwegen, nur ohne Fjord.
Ich kündige mich vollmundig telefonisch wie es sich gehört bei meine Schwiegereltern in Bremen für den nächsten Tag punkt 18:30 Uhr für eine Übernachtung an.
Ich muss mich für den heutigen Tag beeilen will ich nicht im dunklen mein Zelt aufschlagen- ich telefoniere mit dem Campingplatz Hohengeiß am Bärenbache. Ein Motorradfahrer Ehepaar aus Reutlingen hat es hierher verschlagen. – Die Schranke sei bis 22:00 Uhr auf- „ nur net huddle“- (tief schwäbisch alemanisch- zu hochdeutsch „nur nicht beeilen-keine Panik“ nehmen Sie mir den Zeitdruck aus dem Kopf- dennoch – ich mach vorwärtes ohne zu hetzen-bleibe im Reiserhythmus, komme nach 600 km und endlosen Kurven am Campingplatz an, baue schnell unser uraltes Hillebergzelt auf, klappe mein Faltstuhl auf und koche mir eine Suppe und schlafe friedlich und tief, bis morgens die Sonne das Zelt so auf Temperatur bringt, das man automatisch wach wird. Es weiterer Tag besten Wetters wartet auf mich. Meine Schokoladenprobleme 3 kg unversehrt auf die Färörinseln zur bringen bleiben.